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Phosphatdynamik in Böden
Im Ökosystemkompartiment Boden ist Phosphat in gelöster, definierter
oder sorbierter Form vorhanden. Im folgenden Kapitel werden die Phosphatdynamik
und ihre Determinanten erläutert. Erst die Kenntnis der Umsetzungsprozesse
ermöglicht eine modellhafte Beschreibung.
Phosphatlösung und -fällung
Berechnungsgrundlage für die Gleichgewichtsreaktion Lösung -
Fällung von Salzen bildet das Löslichkeitsprodukt. Das Löslichkeitsprodukt
eines Stoffes (Salzes) ist bei gleichbleibender Temperatur eine Konstante.
Es ist das Produkt der molaren Konzentration (Aktivität) der Ionen
in der gesättigten Lösung:
KL(AmBn) = [A]m * [B]n (3-1)
Die Löslichkeitsprodukte schwerlöslicher Phosphate zeigt die
Tabelle 3-1.
Tab. 3-1: Löslichkeitsprodukte definierter Phosphate im
Boden bei 25 C (aus: WEGNER 1988, verändert)
| Mineral |
Lösungsgleichgewicht |
Löslichkeitsprodukt (pKL) |
| Variskit |
AlPO4*H2O = Al3+ + H2PO4- + 2OH- |
31,00 |
| Strengit |
FePO4*2H2O = Fe3+ + H2PO4- + 2OH- |
34,00 |
| Sekundäres (Di-) Calciumphosphat |
CaHPO4 = Ca2+ + HPO42- |
7,00 |
| Octacalciumphosphat |
Ca4H(PO4)3*3H2O = 4Ca2+ + H+ + 3PO43- + 3H2O |
47,00 |
| Hydroxylapatit |
Ca5(PO4)3(OH) = 5Ca2+ + 3PO43- + OH- |
114,00 |
Bei einer Änderung der Aktivität beteiligter Ionen kann es
zu einer Lösung oder Fällung kommen. Folgendes Beispiel soll
dies verdeutlichen:
Hydroxylapatit : Löslichkeitsprodukt pKL = 114
Ca5(PO4)3(OH) 5Ca2+ + 3PO43- + OH- (3-2)
Eine pH-Erhöhung führt zu einer Verschiebung des Lösungsgleichgewichts
auf die linke Seite (definierte Verbindung). Gleichzeitig mit einer pH-Erhöhung
ist eine erhöhte Ca2+-Aktivität zu erwarten, die dieses Gleichgewicht
in gleicher Weise beeinflußt.
Steigt die Aktivität freier Metallionen (Fe3+, Al3+, Ca2+), verschiebt
sich das Gleichgewicht zur ungelösten Phosphatverbindung. Die Metallionenaktivität
wiederum wird über den pH-Wert gesteuert. Aufgrund theoretischer Berechnungen
ist eine maximale Löslichkeit im schwach bis mäßig sauren
pH-Bereich zu erwarten (WELP et al. 1983). Im alkalischen Milieu wirkt
die Entstehung von Ca-Phosphaten löslichkeitserniedrigend, während
im stark sauren Bereich die Bildung von Aluminium- und Eisenphosphaten
die Löslichkeit begrenzt. Laborversuche zeigten jedoch unter oxidierenden
Verhältnissen bei einem pH 5 bis 6 die geringste P-Löslichkeit.
Der P-Gehalt in der Bodenlösung wird demnach durch Ad- und Desorptionsprozesse
geregelt, wohingegen Auflösung und Ausfällung definierter Phosphatverbindungen
quantitativ nicht ins Gewicht fallen.
Abb. 3-2: In Abhängigkeit vom pH-Wert berechnete Löslichkeit
definierter Ca-, Fe- und Al-Phosphate sowie analytisch ermittelte Gesamt-
und Orthophosphatgehalte in den Gleichgewichtslösungen von Proben
aus dem Ap-Horizont einer Rostbraunerde (RE) aus Geschiebesand (Al-P =
Variscit, Fe-P = Strengit, DCP = Dicalciumphosphat, OCP = Octacalciumphosphat,
HA = Hydroxylapatit) (aus: WELP et al. 1983)
Eine Redoxveränderung des Lösungsmilieus kann ebenfalls zu
einer Konzentrationserniedrigung oder -erhöhung der Fällungspartner
führen. Sinkt der Eh-Wert unter ein pH-abhängiges Grenzpotential
(+200 mV bei pH 7), werden oxalatlösliche Eisen(III)oxide zu Fe2+
reduziert und die Phosphatlöslichkeit steigt deutlich an. Der P-Anstieg
in der Bodenlösung ist in sulfid- reichen Böden (z.B. Unterwasserböden)
höher, da Vivianit ((Fe)3(PO4 )2*8H2O) unter diesen Bedingungen instabil
ist (WELP et al. 1983).
Phosphatadsorption und -desorption
Quantitativ wichtiger als Fällungsvorgänge sind Sorptionsprozesse
für die P-Immobilisierung in Böden. Die Wechselwirkung zwischen
fester Bodenphase und Bodenlösung werden als Sorption bezeichnet.
Die Phosphatadsorption beschreibt die Anlagerung von Phosphatanionen an
positiv geladene Bodenteilchen oder den Austausch von Liganden gegen das
Phosphation. Es wird zwischen spezifischer und unspezifischer Adsorption
unterschieden. Als Sorbenten kommen vor allem Tonminerale, Oxide und Hydroxide
des Eisens und Aluminiums sowie organische Partikel mit großer Oberfläche
in Frage.
Die unspezifische oder physikalische Adsorption ist eine ungerichtete
elektrostatische Wechselwirkung. Die positiv geladenen adsorbierenden Bodenbestandteile
(Sorbenten) werden durch Anlagerung von Phosphatanionen in einer äquivalenten
Menge neutralisiert (s. Abb. 3-3).
Abb. 3-3: Prinzip der unspezifischen oder physikalischen Adsorption
von Phosphat im Boden (aus: WEGNER 1988)
Die spezifische oder chemische Adsorption führt zu einer Veränderung
der Elektronenverteilung im Molekül. Es werden häufig kovalente
Bindungen gebildet, die zu einer sehr festen Adsorption, verglichen mit
der unspezifischen Adsorption, führen. Die spezifische Affinität
des Phosphatanions zum Sorbenten führt zur Bindung. Dabei werden OH-
und OH2-Liganden des Sorbenten von Phosphationen verdrängt (KUHNT
1987) und (Fe, Al)-O-P- Sauerstoffbrückenbindungen gebildet (s. Abb.
3-4).
Abb. 3-4: Prinzip der spezifischen oder chemischen Adsorption
von Phosphat im Boden (aus: WEGNER 1988)
Zu den wichtigsten Einflußgrößen, welche die Phosphatadsorption
bestimmen, gehören Anzahl und Art der reaktionsfähigen Gruppen
an den Sorbenten, die Reaktionszeit, die Phosphatkonzentration der Bodenlösung,
die Bodentemperatur sowie deren pH-Wert und die Konzentration konkurrierender
Anionen.
Da bei den Tonmineralen in den Zwischenschichten und an den Oberflächen
meist ein negativer Ladungsüberschuß vorhanden ist, werden die
Phosphationen nur an den seitlichen Bruchflächen der Tonminerale adsorbiert,
die in hinreichend saurem Milieu (unter pH 5-6) protonisiert werden. Von
größerer Bedeutung für die Adsorption sind die Fe- und
Al-Oxide und Hydroxide. Sie werden ebenfalls pH-abhängig protonisiert.
Unterhalb pH 5-6 können an ihren OH-Liganden H+-Ionen gebunden werden.
Darüber hinaus sind sie infolge ihrer hohen Affinität zum Phosphation
zum Ligandenaustausch befähigt. Die verdrängten OH--Ionen lassen
sich experimentell durch pH-Erhöhung der Bodenlösung nachweisen
(BAREKZAI 1984).
Die organische Substanz kann kein Phosphat sorbieren (BLANKENBURG 1983).
Die organische Substanz beeinflußt die P-Sorption dennoch auf mehrfache
Weise. Erst nach Komplexierung von Aluminium und Eisen mit Fulvo- und Huminsäuren
vermag die organische Substanz, Phosphate zu sorbieren. BORGGAARD et al.
(1990) untersuchten den Einfluß der organischen Substanz auf die
P-Sorption. Sie fanden heraus, daß 96% aller Variationen in der Sorption
durch Eisen- und Aluminiumgehalte erklärt werden können. Über
die Beeinflussung der Fe-, Al- und Ca-Ionenkonzentration in der Bodenlösung
und die pH-Absenkung bei der Mineralisation ist eine Veränderung des
Sorptionsverhaltens eines Bodens denkbar. HAGEMANN (1971) erkannte bei
seinen Sorptionsversuchen einen zunehmenden Einfluß der organischen
Substanz bei längerer Kontaktzeit.
-
P-Konzentration in der Bodenlösung, Kontaktzeit
Das Ausmaß der Phosphatadsorption ist um so größer, je
höher die P-Konzentration der Bodenlösung ist. Adsorption und
Desorption sind dynamische Gleichgewichtsreaktionen, die durch die Phosphataktivität
der Bodenlösung beeinflußt werden. Das Vorhandensein konkurrierender
Anionen in der Bodenlösung ist nur für die unspezifische, physikalische
Adsorption wichtig. Hierbei richtet sich die sorbierte Menge nach dem Mengenverhältnis
der Anionen in der Bodenlösung. Ein vorhandenes Konzentrationsgefälle
zwischen Sorbenten und Lösung wird mit der Ad- oder Desorption ausgeglichen.
Dieser Vorgang kann jedoch sehr lange dauern: der Endpunkt der Phosphatadsorption
kann nach sechs Monaten Versuchsdauer noch nicht erreicht sein (SCHEFFER
& SCHACHTSCHABEL 1989).
BARROW (1979) untersuchte den Einfluß der Temperatur auf die Gleichgewichtsreaktionen
zwischen der Bodenlösung und der Bodenfestphase. Seine Ergebnisse
zeigen die Zunahme der Gleichgewichtskonzentration bei erhöhter Temperatur,
die den exothermen Charakter der Adsorption widerspiegelt. Der Vorgang
der Ad- und Desorption kann somit als thermodynamisch bezeichnet werden.
-
pH-Wert, Redoxpotential und Bodenfeuchte
Der pH-Wert steuert die Ionenkonzentration in der Bodenlösung und
dadurch auch die Ladungsverhältnisse am Sorbenten. Eine Veränderung
des Redoxpotentials durch zunehmende Bodenfeuchte kann bewirken, daß
bereits sorbierte Phosphate nach Reduktion der Fe(III)-Oxide desorbiert
werden und in Lösung gehen. Das Bodenwasser ist neben der Steuerung
des Redoxpotentials für den Transport von Ionen und somit für
die Verfügbarkeit des Sorbens im Boden verantwortlich.
Adsorptions- und Desorptionsisothermen
Sorptionsisothermen stellen sogenannte Quantitäts-Intensitäts-Beziehungen
zwischen gelöster und fester Bodenphase dar. Meist wird mit ihnen
die Stoffverteilung im thermodynamischen Gleichgewicht beschrieben. Es
gibt eine Fülle von Ansätzen, welche die tatsächlichen Verhältnisse
mehr oder weniger gut dokumentieren. Sorptionsisothermen haben stets nur
empirischen Charakter für natürliche Systeme. Es ist stets zu
prüfen, welche Isotherme bei den existierenden Randbedingungen die
beste Übereinstimmung mit den Meßwerten liefert.
Für die Phosphatsorption werden hauptsächlich drei verschiedene
Ansätze verfolgt:
LANGMUIR (BACHE & WILLIAMS 1971, SCHEINOST 1995, SCHWERTMANN
et al. 1976, SCHWERTMANN & KNITTEL 1973), FREUNDLICH (BACHE
& WILLIAMS 1971, FITTER & SUTTON 1975, PARFITT 1978, SCHEINOST
1995, WEGNER 1988, WHITE & TAYLOR 1977) und "two-site"-LANGMUIR
(SPOSITO 1982, SPOSITO 1984, WEGNER 1988).
Seltener zur Beschreibung der Phosphatsorption sind die Sorptionsmodelle
der TEMKIN-Gleichung (BACHE 1964, BACHE & WILLIAMS 1971, BARROW
1978, SCHEINOST 1995) oder der GUNARY-Gleichung (GUNARY 1970) angewendet
worden.
Im folgenden werden die LANGMUIR-, FREUNDLICH- und "two-site"-LANGMUIR-Gleichungen
vorgestellt, weil sie am häufigsten zur Sorptionsbeschreibung des
Phosphats eingesetzt werden. Darüber hinaus die TEMKIN-Gleichung,
da sie in dieser Arbeit in das P-Sorptionsmodell implementiert wird (siehe
Kap. 6).
LANGMUIR-Isothermen beschreiben den Verlauf bei folgenden vorausgesetzten
Bedingun- gen:
-
Die Anzahl der Sorptionsplätze pro Masseneinheit Sorbent ist definiert.
-
Jeder Sorptionsplatz kann nur einen Bindungspartner festhalten.
-
Die Reaktionsenthalpie ist für alle Sorptionsstellen gleich und hängt
nicht von der Anzahl der Sorptionsplätze ab.
-
Wechselwirkungen zwischen den adsorbierten Atomen, Molekülen und Ionen
treten nicht in Erscheinung.
Die LANGMUIR-Sorptionsisotherme wird aus der kinetischen Betrachtung von
Sorption und Desorption abgeleitet. Für konstante Temperaturverhältnisse
gilt, daß die Sorptionsgeschwindigkeit proportional zur freien Sorptionsfläche
P1-f(c) und zur Gleichgewichtskonzentration c ist. P1 bezeichnet die gesamte
Sorptionsfläche, f(c) den bei der Konzentration c belegten Flächenanteil.
Die Desorptionsgeschwindigkeit ist proportional zur belegten Sorptionsfläche.
Im thermodynamischen Gleichgewicht lassen sich bei Einführung der
Desorptions- und Adsorptionskonstanten kd und ka beide Vorgänge gleichsetzen.
[P1-f(c)] * ka * c = f(c) * kd (3-3)
Bei Einführung der Gleichgewichtskonstanten P2 (P2 = kd/ka) erhält
man durch Auflösen nach f(c) die LANGMUIR'sche Sorptionsisotherme:
f(c) = (3-4)
Die Konstante P1 beschreibt die Bindungskapazität des Sorbenten.
Der Ausdruck 1/P2 (Affinität) stellt ein Maß für die Bindungsenthalpie
der Sorptionsreaktion dar.
Die Beschreibung der Phosphatsorption in natürlichen Systemen
ist durch die LANGMUIR-Gleichung nur eingeschränkt gültig (WEGNER
1988).
FREUNDLICH hat eine empirische Isotherme formuliert, die der
Tatsache Rechnung tragen soll, daß bei zunehmender Austauschersättigung
die Sorptionsenthalpie stark abnimmt. Die FREUNDLICH'sche Sorptionsisotherme
beschreibt nur den Anfangsverlauf der Phosphatadsorption hinreichend genau.
Die Bindungskapazitäten der Sorbenten werden überschätzt,
weil die FREUNDLICH-Isotherme keinen Maximalwert der Adsorption vorsieht.
f(c) = a * c (3-5)
Die Begriffe der Kapazität und Bindungsaffinität sind bei
FREUNDLICH aufgrund des empirischen Charakters nicht zu definieren; b kann
jedoch als Maß für die Verteilung der Sorptionsenthalpie verstanden
werden, wobei b Werte > 1 annimmt. Es liegt eine exponentielle Energieverteilung
vor. Die Bindungsenergie nimmt mit zunehmender Austauscherbelegung exponentiell
ab.
"two-site"-LANGMUIR-Isotherme Bei der Formulierung geeigneterer
Isothermen zur Beschreibung der Phosphatsorption werden primär LANGMUIR'sche
Ansätze verfolgt, weil sich die LANGMUIR-Isotherme auf thermodynamische
Gesetzmäßigkeiten stützt. Gewöhnlich wird dabei angenommen,
daß sich der Sorptionsverlauf durch die Summe einzelner LANGMUIR-Isothermen
beschreiben läßt. Generell hat sich die Erkenntnis durchgesetzt,
daß die Phosphatsorption durch zwei Teilisothermen ausreichend genau
beschrieben werden kann (WEGNER 1988).
Es werden deshalb über die "two-site"-LANGMUIR-Isotherme zwei
hypothetische Austauscheroberflächen definiert. Jede dieser Oberflächen
ist durch eine eigene Bindungskapazität (P1, P3) und Bindungsaffinität
(P2, P4) gekennzeichnet. Diese Gleichung gibt mehr Aufschluß über
die Bindung des Phosphats am Austauscher, weil gerade die Sorption des
hochreaktiven Phosphats starken Schwankungen in der Reaktionsenthalpie
unterliegt.
f(c) = (3-6)
Die Konstanten dieser Gleichung können mit Regressionsanalysen
bestimmt werden (WEGNER 1988).
TEMKIN-ModellDie TEMKIN-Gleichung beschreibt die Anionenadsorption.
Sie enthält die Kondition, daß die Energie mit zunehmender Austauschersättigung
linear abnimmt. Dieses Modell kann über eine breite Konzentrationsspanne
eingesetzt werden (PARFITT 1978). Sie ist aufgrund dieser Eigenschaften
besser geeignet, die Phosphatsorption zu beschreiben als die LANGMUIR-Gleichung
(BACHE 1964). Das TEMKIN-Modell wird in Kapitel 6 vorgestellt.