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Topographiefaktor LS

Der Topographiefaktor LS setzt sich aus dem Hanglängenfaktor L und dem Hangneigungsfaktor S zusammen. Der LS-Wert beschreibt das Bodenverlustverhältnis des untersuchten Hanges zu dem Standardhang mit 22.1 m (72,6 ft) Länge und 9% Hangneigung unter sonst gleichen Bedingungen. Für Einzelhänge sind die Faktoren leicht und genau durch Messung im Gelände zu bestimmen (SCHWERTMANN et al. 1987). Für eine Einzugsgebietsmodellierung ist ein solches Vorgehen zu zeit- und kostenintensiv (WILSON 1986). Daher wird intensiv nach einer Methodik geforscht, die den scaleabhängigen Genauigkeitsanforderungen gerecht wird und möglichst automatisiert die geforderten LS-Werte liefert (AUERSWALD et al. 1988, HICKEY et al. 1994, WILSON 1986). Eine GIS-gestützte Auswertung Digitaler Höhenmodelle ist für diese Aufgabenstellung ein ideales Instrumentarium.
Die Bestimmung des LS-Faktors birgt mehr Probleme und Anforderungen als jeder andere Parameter der USLE (RENARD et al. 1991, WILSON 1986):
  1. Bestimmung der erosiven Hanglänge
  2. ausschließliche Gültigkeit der USLE für Einzelhänge mit gestrecktem Hanglängsprofil
  3. keine Berücksichtigung komplexer Hangformen, divergierender oder konvergierender Teilhänge

Bei aller Problematik hinsichtlich der Bestimmung der Hanglänge ist zu berücksichtigen, daß die Hanglänge den ermittelten Bodenabtrag am wenigsten beeinflußt. In einer Sensitivitätsanalyse veränderte eine um 10% erhöhte Hanglänge den Bodenabtrag lediglich um 5% (RENARD et al. 1991).
Berechnung des LS-Faktors
Die Intensität der Bodenerosion wird von der Hangneigung (ausgedrückt durch des S-Faktor) und der Hanglänge (L-Faktor) beeinflußt. Bei Felduntersuchungen werden sie getrennt gemessen; in der Auswertung werden beide Parameter als LS- oder Topographiefaktor zusammengefaßt.
LS = (7-9) mit: =Hanglänge [feet] =Hangneigung [Grad] m=Hanglängenexponent (s. Text)
Die Hanglänge, die in die USLE-Gleichung eingeht, wird als erosive Hanglänge bezeichnet (SCHWERTMANN et al. 1987) und ist definiert als "the distance from the point of origin of overland flow to either ... (1) the point where the slope decreases to the extent that deposition begins or (2) the point where runoff enters a well-defined channel" (WISCHMEIER & SMITH 1965, S. 9). Sie ist häufig kürzer als die Gesamtlänge des Hanges und kann im Feld am genauesten gemessen werden.
Die Hangneigung wird im Gelände mit einem Hangneigungsmesser bestimmt.
Der Hanglängenexponent m erhält unter deutschen Bedingungen (SCHWERTMANN et al. 1987) in Abhängigkeit von der Hangneigung folgende Werte:

Tab. 7-10: Definition des Hanglängenexponenten m durch die Hangneigung

Hangneigung [%] m
0.5 und kleiner 0.150
0.6 - 1.0 0.200
1.1 - 3.4 0.300
3.5 - 4.9 0.400
5.0 und größer 0.500

Der Hanglängenexponent m berücksichtigt, daß eine Verlängerung des Hanges und damit des Abflußvolumens sich bei großer Neigung stärker abtragsfördernd auswirkt als bei kleiner (AUERSWALD et al. 1988). Der abgestufte Exponent wurde von MURPHREE & MUTCHLER (1981) durch zwei Gleichungen ersetzt, die eine stufenlose Bestimmung ermöglichen.
m = 1.2* für 4 (7-10) m = 0.5 für > 4 (7-11)
Das bisher Beschriebene bezieht sich auf gleichmäßig geneigte Einzelhänge. Im Freiland ändert sich häufig in Gefällerichtung die Neigung. Um konvexe, konkave und komplexe Hänge berechnen zu können, entwickelten WISCHMEIER & SMITH (1978) eine Wichtungsgleichung, die die Berechnung dieser Hänge ermöglicht. Dabei wird der Gesamthang in gleich lange Teilstücke annähernd gleicher Neigung segmentiert und für jedes Teilstück des LS-Faktors bestimmt (unter Verwendung der Neigung des jeweiligen Teilstückes und der Gesamtlänge des Hanges). Der ermittelte LS-Wert wird anschließend mit einem Wichtungsfaktor multipliziert. Der Wichtungsfaktor W wird für die einzelnen Hangsegmente nach folgender Gleichung berechnet:
Wi = (7-12) Wichtungsgleichung für komplexe Hänge mit: i = Nr. des Teilstücks von oben m = Hanglängenexponent des Gesamthanges n = Anzahl der gleich langen Teilstücke
Die Gleichung der Wichtungsfaktoren macht deutlich, daß in dem USLE-Modell die am Unterhang liegenden Teilstücke den LS-Faktor wesentlich stärker beeinflussen als die am Oberhang liegenden (SCHWERTMANN et al. 1987). Bei einem in drei Teilabschnitte differenzierten Hang mit 5, 8 und 12% Neigung ergäben sich Wichtungsfaktoren vom Oberhang zum Unterhang von 0.19, 0.35 und 0.46.
Für beliebig lange Hangsegmente ist die Wichtung ebenfalls anwendbar, wenn sie mit dem LS-Faktor kombiniert wird (FOSTER & WISCHMEIER 1974).
LS = (7-13) mit: li = Hanglänge (m) bis zur Unterkante des i-ten Teilstücks Si = Hangneigungsfaktor des i-ten Teilstücks
Die sicherste Schätzung der Topographieparameter der USLE erfolgt im Gelände. Dieses zeit- und arbeitsintensive Vorgehen ist jedoch nicht immer realisierbar. Deshalb sind verschiedene Methoden entwickelt und angewandt worden, die ohne diese Feldstudien auskommen können. Das folgende Teilkapitel stellt unterschiedliche Methoden vor.

Alternative Verfahren zur LS-Bestimmung
Die Problematik bei der Ermittlung des Topographiefaktors LS der USLE stellt sich bei jeder großflächigen oder einzugsgebietsbezogenen Modellanwendung. Verschiedene Strategien zur Behebung des Datenmangels sind in der Literatur zitiert. Zur Erläuterung der Problematik sollen einige in diesem Teilabschnitt besprochen werden.

Ableitung aus topographischem Kartenwerk
Für Nordostdeutschland berechnete DEUMLICH (1995) die potentielle Erosion mit der USLE. Für das Betrachtungsgebiet existiert derzeit noch kein digitales Reliefmodell. Die einzigen digitalen Reliefinformationen sind flächenmäßige Kombinationen von zusammengefaßten Hangneigungsgruppen in Form von Neigungsflächentypen (aus der MMK). Deshalb wurden die erosive Hanglänge und die Höhendifferenz von Hängen aus topographischen Kartenblättern im Maßstab 1:10000 bis 1:25000 erfaßt und der jeweilige LS-Faktor berechnet. Die Methode liefert im größten Maßstab die sichersten Werte. Mit wachsendem Maßstab wächst allerdings auch der jeweilige Arbeitsaufwand. Der Arbeitsmaßstab bei DEUMLICH (1995) wurde sicherlich als Kompromiß zwischen angestrebter Genauigkeit und tolerierbarem Arbeitsaufwand gewählt. Der zeitliche und personelle Aufwand bei dieser LS-Bestimmung ist dennoch als sehr hoch einzuschätzen.

Stereoskopische Auswertung von Luftbildern
Kernstück des Modells AGNPS ist die USLE-Gleichung (KLEEBERG et al. 1994, YOUNG et al. 1989). Als Inputdaten werden ebenfalls L- und S-Faktor benötigt. Gefälle und Fließrichtung werden von KLEEBERG et al. (1994) mit ARC/INFO GRID aus digitalen Reliefdaten im Maßstab 1:25000 ermittelt. Die erosive Hanglänge konnte nicht mittels GRID generiert werden. Diese Daten wurden durch stereoskopische Auswertung von Luftbildaufnahmen mit anschließender Digitalisierung gewonnen.

GIS-basierte Auswertung
MÖRTH (1994) und HICKEY et al. (1994) nutzen konsequent die Möglichkeit mit ARC/INFO GRID digitale Höhendaten in Rasterform auszuwerten.
HICKEY et al. (1994) programmierten zur Bestimmung des LS-Faktors eine umfangreiche AML-Anweisung, während MÖRTH (1994) mittels einer OVERLAY-Funktion ein DHM-Grid mit einer Vektor-Polygonkarte überlagerte. Die GRID-Funktionen ZONALRANGE und ZONALMEAN ermöglichten je Acker-Polygon die Berechnung der Höhendifferenz und der mittleren Flächenneigung. Dieses Verfahren kann wegen seiner Einfachheit gut zur ersten Grobabschätzung des Erosionspotentials im kleinen Maßstab dienen, liefert allerdings keine genauen Daten, da die Hangneigung über eine ganze Fläche gemittelt wird. Mehrere Hänge innerhalb eines Polygons können nicht dargestellt werden. Die Anwendung des AML-Programms von HICKEY et al. (1994) ergibt bisher für die Hanglänge keine plausiblen Ergebnisse (BAMRUNGRACH 1995).
Mit ARC/INFO TIN können digitale Reliefdaten in Form triangulierter irregulärer Netze bearbeitet und ausgewertet werden (ESRI 1994b). Nach Segmentierung des Reliefs durch Dreiecksvermaschung und anschließender Kaskadierung können Hänge und Teilhänge identifiziert und die jeweiligen Topographiefaktoren berechnet werden (FLACKE et al. 1990, NEUFANG et al. 1989). Dieses Verfahren konnte aus zeitlichen Gründen nicht in dieser Untersuchung getestet werden.

Automatisierte GIS-externe Lösungen
Aufgrund der geschilderten Probleme bei der genauen Abschätzung der erosiven Hanglänge in einem GIS realisieren einige Autoren die Problemlösung in einem GIS-externen Programm oder Modell (z.B. FORTRAN-Programm) (CORNFORD 1995, HENSEL 1991, HUTH 1993). Das Computerprogramm sollte folgende DHM-Auswertungsroutinen beinhalten:

  1. Expositionsbestimmung
  2. Berechnung der Hangneigung
  3. Raster- oder Flächenkaskadierung
  4. Ermittlung der Länge einer Kaskade
Das im vierten Kapitel vorgestellte FORTRAN-Programm TOPNEWP2 von Dr. E.-W. Reiche ist für eine solche Anwendung geeignet. Die Verknüpfung der Raster zu Hängen wird durch eine Kaskadierung realisiert. Dadurch ergibt sich die Lage und die Länge der Hangsegmente und Hänge. Die Berechnung des LS-Faktors erfolgt nach Gl. 7-13. Die geforderte Berücksichtigung der erosiven Hanglänge ist nur bedingt zu erfüllen. In TOPNEWP2 ist eine Reduzierung der Hanglänge dadurch gegeben, daß die LS-Faktoren nur für vom Anwender definierte Hänge (>2% Hangneigung, Mindesthanglänge) berechnet werden. Somit müssen die im Hangterm formulierten Bedingungen erfüllt sein, bevor ein Raster in die Erosionsmodellierung eingehen kann (s. Kap. 4.3). Die Abbildung 7-6 zeigt die LS-Faktoren in einem Ausschnitt des Untersuchungsgebietes.

Abb. 7-6: Karte der LS-Faktoren im Untersuchungsgebiet (Ausschnitt)

Hohe LS-Faktoren werden an den Seeufern des Belauer Sees und den Ostufern des Schierenssees, des Stolper Sees und des Schmalensees sowie östlich der Fuhlenseeniederung erreicht. Ein Vergleich mit der Karte der Hangneigungen des Untersuchungsgebiets macht deutlich, daß die Karte der LS-Faktoren zum Großteil die Bereiche hoher Hangneigungen nachzeichnet. In dem Kartenausschnitt fallen kaum Gebiete auf, die bei einer geringen Reliefenergie hohe Topographiefaktoren erzielen. Dies deutet auf kurze Hanglängen in dem Untersuchungsgebiet hin.

Erosionsschutzfaktor P

Der Erosionsschutzfaktor P gibt das Verhältnis des Bodenabtrages bei Anwendung von Schutzmaßnahmen zu dem bei konventionellem Anbau an. Er quantifiziert die auf einem Hang getroffenen Erosionsschutzmaßnahmen wie Konturbearbeitung und Streifennutzung. Bei hangparalleler Bearbeitung des Feldes (in Gefällerichtung = Standardbedingung der USLE) ist der P-Faktor gleich 1. Er wird reduziert, wenn die Befahrung des Hanges und die Anlage der Saatreihen parallel zu den Höhenlinien, d.h. quer zum Hang, erfolgen oder Querstreifen einer sehr dichten Kultur angelegt werden (SCHWERTMANN et al. 1987).
Im Untersuchungsgebiet liegen keine schlagbezogenen Informationen über erosionsmindernde Maßnahmen vor. Deshalb wird bei der Modellierung der P-Faktor gleich 1 gesetzt.

Probleme der rasterbezogenen Erosionsmodellierung

In den Teilkapiteln 7.4.1 bis 7.4.5 ist die Methodik der Bestimmung der USLE-Faktoren beschrieben. Die Probleme, die dabei auftraten, wurden diskutiert. Die Präsentation der Ergebnisse erfolgte in Form von Karten eines Ausschnitts des Untersuchungsgebietes. Die langjährige Bodenerosion durch Wasser kann durch Multiplikation der Faktoren ermittelt werden. Auf ein weiteres Problem soll jedoch noch eingegangen werden.
Der K- und der C-Faktor sind Verhältniszahlen, die für Schäge ermittelt werden. Die Daten können somit schlag- bzw. polygonbezogen verwaltet werden. Das Relief ist in seiner räumlichen Ausprägung nicht an diese Geometrien gebunden. Die Unzulässigkeit, den Topographiefaktor in den Schlaggrenzen zu ermitteln, wurde bereits diskutiert. Dadurch ist die räumliche Basis der Erosionsmodellierung durch die Auflösung des DHMs und der LS-Faktoren definiert. Die rasterbezogene Berechnung der potentiellen Erosion ohne Berücksichtigung linienhafter Strukturen im Raum kann keine korrekten Ergebnisse liefern.
Schlaggrenzen begrenzen die Hanglänge, wenn sie Sedimentation bewirken und das Wasser nicht auf den darunterliegenden Schlag überlaufen kann, sondern quer zum Hang abgeleitet wird (SCHWERTMANN et al. 1987). Dieser Fall ist in dem Untersuchungsgebiet durch die Knickwälle häufig gegeben. Bei der Bestimmung des LS-Faktors in Einzugsgebieten mit Hilfe eines DHM können diese linienhaften Strukturen nicht berücksichtigt werden. Dadurch besteht die Gefahr, die LS-Werte zu überschätzen. In dem DHM sind keine linienhaften, abflußhemmenden Strukturen bekannt, so daß erosive Hanglängen nicht, wie in der Realität, am Knick enden, sondern darüber hinaus berechnet werden. Das gleiche gilt für Fließgewässer und Gerinne, die ebensowenig berücksichtigt werden, obwohl sie Abflußbarrieren darstellen.
Diese Problematik ist in der einschlägigen Literatur zur großräumigen Erosionsmodellierung bisher weitestgehend ignoriert worden. In Zusammenarbeit mit Dr. E.-W. Reiche ist in dieser Arbeit der Versuch unternommen worden, diese Problematik zu lösen. Darüber hinaus ist eine Methodik entwickelt und getestet worden, die Sedimentation abzuschätzen.
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