Modelle als Bestandteile von Umweltinformationssystemen dargestellt am Beispiel des Methodenpaketes "DILAMO"

(Erschienen in: Blaschke, T.: Umweltmonitoring und Umweltmodellierung. GIS und Fernerkundung als Werkzeuge einer nachhaltigen Entwicklung. H. Wichmann Verlag, Heidelberg 1999)

 

Ernst-Walter REICHE, Martin MEYER und Ilka DIBBERN

 

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1 Einleitung

Im Rahmen von Umweltinformationssystemen sollen Modelle umweltrelevante Zustandsvariable so beschreiben, da&szl ig; u.a. flächenbezogene Aussagen über Belastungs- und Gefährdungssituationen abgeleitet werden können. Welcher Modelltyp für die jeweils spezifische Fragestellung der geeignete ist, hängt u.a. von der Größe des zu betrachtenden Raumausschnittes, dem gewünschten Differenzierungsniveau und nicht zuletzt vom vorhandenen Datenbestand ab. Modelle lassen sich auf unterschiedliche Art kategorisieren. Eine prinzipielle Unterscheidung ergibt sich aus dem Umstand, ob es sich um ein dynamisches Modell handelt, welches auf der Basis von Differential- oder Differenzengleichungen zeitliche Entwicklungen abbildet oder ob lediglich eine statische Zustandsbeschreibung durch die Auswertung bestimmter Parameterkombinationen durchgeführt wird. Darüber hinaus unterscheidet man zwischen deterministischen also physikalisch begründeten Modellen und solchen, die auf statistisch begründeten Abhängigkeiten beruhen. Komplexe Modelle stellen häufig eine Kombination aus beiden methodischen Ansätzen dar. Einsatzbereich, Aussageschärfe und Anwendungseinschränkungen der unterschiedlichen Modelltypen sollen exemplarisch anhand des im Rahmen des Forschungsvorhabens "Ökosystemforschung im Bereich der Bornhöveder Seenkette" entwickelten Methodenpakets DILAMO (Digitale Landschaftsanalyse und - modellierung) aufgezeigt werden. Die Methodik bietet Verfahren zur flächenhaften Abschätzung von Naturraumpotentialen an. Sie liefert wesentliche Informationen für eine nutzungsspezifische Flächenbewertung. Einzelne Indikatorgrößen lassen sich unter Einbeziehung eines funktionsbezogenen Landschaftsbewertungskonzeptes zu Indizes zusammenfassen. Schließlich ist es möglich, auf der Grundlage eines dynamischen Modells unter Verwendung zeitlich variierender Eingangsgrößen (Wetterdaten, Bewirtschaftungsdaten etc.) räumlich differenziert die Dynamik von Wasser-, Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorflüssen abzubilden und als Bewertungsgrundlage für aktuelle bzw. geplante Nutzungsbedingungen zu verwenden. In diesem Beitrag wird auf methodische Grundlagen ebenso, wie auf die im Rahmen von GIS und Datenbanksystem erfolgte technische Umsetzung eingegangen. Anhand verschiedener Anwendungsbeispiele werden Resultate des Methodenpaketes diskutiert.

 

2 Das Methodenpaket "DILAMO"

Die Methoden zur "Digitalen Landschaftsanalyse und -modellierung (DILAMO)" bieten die Möglichkeit, für Landschaftsräume und speziell für Einzugsgebiete unterschiedlicher naturräumlicher Ausstattung und anthropogener Überprägung auf unterschiedlichen räumlichen Hierarchieebenen die Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen Stoff-, Wasser- und Energieeinträgen, der strukturellen Ausstattung und den das System verlassenden Stofffrachten und Abflußmengen aufzuzeigen und räumlich zuzuordnen. Dabei finden auch strukturverändernde Prozesse (Auf- und Abbau von Poolgrößen, Gradienten und Aufnahmekapazitäten) Berücksichtigung, so daß nicht nur die Aufdeckung von Auswirkungen der gegenwärtig vorzufindenden Ressourcennutzung erfolgt, sondern auch die Möglichkeit gegeben ist, die Auswirkungen von geplanten Nutzungsänderungen auf der Basis von Nutzungsszenarien abzuschätzen. Im einzelnen werden die genannten, zumeist aus amtlichen Datenbeständen überführbaren Informationsebenen so aufbereitet, daß eine flächen- bzw. linienbezogene Tabularisierung einzelner Landschaftselemente möglich wird (z. B. Anteil bestimmter Reliefformen, Substrattypen, Bodentypen, Grundwasserabstandsklassen, Biotop- und Nutzungstypen, Gewässertypen). Eine solche Bestandsaufnahme kann in Abhängigkeit vom gewählten Gewässerabschnitt auf unterschiedlichen räumlichen Hierarchieebenen erfolgen. Die im System "DILAMO" integrierten Werkzeuge zur boden-, relief- und hydologiebezogenen Gebietsanalyse ("BOSSA", "TOPNEW", "TOPTRA") liefern - in Kombination mit einem GIS - einerseits strukturbezogene Aussagen zu einzelnen Teilfunktionen des Landschaftshaushaltes (z. B. Regelungsfunktion, Lebensraumfunktion, Produktionsfunktion), andererseits stellen sie den für die Anwendung des dynamischen Simulationsmodells WASMOD notwendigen Eingangsdatensatz bereit (z.B. Gerold et al., 1998).

Tab. 1: DILAMO ein Methodenpaket zur digitalen Landschaftsanalyse und Modellierung

Informationsebenen

Boden

Relief

Gewässernetz und andere linienhafte Landschaftselemente

Flächennutzung und Vegetation

Datenquellen

Kartierergebnisse, Profilbeschriebe (Bodenschätzung).

Digitale Höhenmodelle (DGM 5; DGM 25).

ATKIS Geometrien und Attributinforma-tionen, DGK-5, Aufzeichnungen der Wasser u. Bodenverbände.

Biotoptypenkartierung der Landesämter, Fernerkundung, Gemeinde- und Agrarstatistik.

Auswertungsmethoden und Modelle

"BOSSA-SH"

profilbezogene Ableitung relevanter Bodenkenngrößen, Bewertung der Bodenfunktionen.

"TOPNEW"

Analyse der Reliefsituation (Hang- u. Senkenidentifikation, Abgrenzung topographischer Einzugsgebiete, Erosionsabschätzung).

"TOPTRA"

Kalkulation von Grundwassergleichen u. Analyse der Abflußsituation, flächenbezogene Oberflächen- u. Grundwasserabflußzuordnung

"WaSMOD"

flächenhafte dynamische Modellierung von Stoff- u. Wasserflüssen in der Biosphäre, Pedosphäre u. Hydrosphäre.

Ergebnisse

Bodenarten/typen- kennzeichnung, Zuordnung bodenphysikalischer Eigenschaften, Einordnung in ein funktionsbezogenes Bewertungsschema.

Ergebnisgrafiken:

Bodenarten

Funktionsbewertung

Feldkapazität

Nitratretentionspotential

Regelungsfunktion Wasserhaushalt

Potentielle Erosion

Detailaufnahme der potentiellen Erosion

Rasterbezogene Angaben zur Hanglänge, -form und -neigung, Angaben zum mittleren jährlichen Bodenabtrag.

Mittlere Grundwasserstände, Kennzeichnung von Abflußbarrieren und Einzugsgebietsgrenzen.

Ergebnisgrafiken:

Flurabstände

Mittlere Verweildauer des oberflächennahen Grundwassers

Mittlerer Bodenabtrag

Mittlerer Bodenabtrag von Gewässerrandflächen

Aufwölbung Grundwasser über NN

Polygon- und vorfluterbezogene Berechnung von Wasser-, Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorbilanzen.

Ergebnisgrafiken:

N-Einträge

Denitrifikation

Mittlere Verdunstungsrate

Flächen mit Zwischenabflußbildung

Mittlere Kohlenstoffbilanz

Summe der N-Verluste

N-Konzentration im Sickerwasser

N-Austrag mit dem Sickerwasser

 

2.1 Methoden zur digitalen Ableitung und Bewertung von Bodenkenngrößen

Böden sind wichige Bestandteile von Natur und Landschaft und somit Schutzgüter im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer ausreichenden Berücksichtigung des Bodenschutzes im Rahmen aller Verfahren der ökologisch orientierten Planung. Aufgrund der häufig vorzufindenden hohen räumlichen Heterogenität von Böden und der arbeitsaufwendigen Erfassungsmethodik (Profilaufnahmen) liegen die für eine angemessene Bearbeitung notwendigen Informationsgrundlagen nur teilweise in Form von großmaßstäbigen Bodenkarten vor. Die Forderung nach einer parzellenscharfen, zumindest sämtliche landwirtschaftliche Nutzflächen abdeckenden Informationsdichte erfüllen zur Zeit nur die Profilbeschreibun-gen der Bodenschätzung. Sie bieten bis zu einer Tiefe von 1 m unter Flur eine relativ genaue Beschreibung des Bodenaufbaus. Durch mehr oder weniger regelmäßige Nachschätzungen ist die Aktualität dieser Angaben zumeist hinreichend gewährleistet. Das Programm "BOSSA-SH" (Bodenschätzungsstandardauswertung Schleswig-Holstein, REICHE 1998) ist als Auswertungs- und Bewertungswerkzeug so konzipiert, daß die nach unterschiedlichen Konzepten aufgenommenen Bodenkenngrößen (bis 1m Tiefe) zunächst in eine einheitliche Systematik der wissenschaftlichen Bodenkunde transferiert werden. Darauf aufbauend können wichtige bodenphysikalische Kenngrößen abgeleitet werden. Abschließend erfolgt eine funktionsbezogene Bewertung des Bodenprofils. Damit bietet das Programm BOSSA-SH folgende Teilfunktionen:

Bei der Durchführung der einzelnen digitalen Übersetzungs-, Ableitungs- und Bewertungsschritte werden eine größere Anzahl von Bodenkenngrößen profilbezogen und horizontbezogen zugeordnet. Hierzu gehören beispielsweise Bodenartenangaben für einzelne Horizonte, Kenngrößen zum Bodenwasserhaushalt (Lagerungsdichte, Gesamtporenvolumen, Wassergehalte bei Feldkapazität und permanenten Welkepunkt, gesättigte Wasserleitfähigkeit) und Parameter zur Beschreibung des Bodenstoffhaushalts (potentielle Kationenaustauschkapazität, effektive Kationenaustauschkapazität, Nitrat-Retentionspotential). Dabei werden zunächst die Kenngrößen in ihren spezifischen Einheiten als Absolutwerte bestimmt. In einem zweiten Schritt erfolgt eine qualitative Einstufung dieser Kenngrößen entsprechend der Bodenkundlichen Kartieranleitung 4. Auflage (Arbeitsgemeinschaft Boden, 1994) anhand einer zumeist fünfstufigen Bewertungsskala. Die Standard-Ergebnisausgabe beinhaltet folgende Parameter:

Auf der Grundlage der Einstufung der obenstehenden Kenngrößen wird eine bodenfunktionsbezogene Bewertung des gesamten Bodenprofils durchgeführt. Es wird im Einzelnen geprüft, wie hoch die relative Bedeutung des betreffenden Standorts für die Landschaft in Hinblick auf Lebensraum-, Regelungs- und Produktionsfunktion einzuschätzen ist. Bei der Regelungsfunktion wird die Bedeutung für den Landschaftswasserhaushalt und jene für den Landschaftsstoffhaushalt getrennt betrachtet. Die Einstufung erfolgt durch die Zuordnung einer dimensionslosen Zahl von 1 (= von untergeordneter Bedeutung) bis 5 (= äußerst hohe Bedeutung):

Die gebietsbezogene kartographische Zuordnung der Profilinformationen erfolgt in der Regel über die Kartiereinheiten der Bodenschätzung. Die sogenannten Klassengrenzen beschreiben in den Schätzkarten (1:2000) Flächen einheitlicher Bodengüte. Häufig überlagern sie die Flurstücksgrenzen. Da im Rahmen der deutschen Bodenschätzung nur landwirtschaftlich genutzte Flächen erfaßt wurden, müssen Informationen zu den Flächen sonstiger Nutzungen auf andere Weise verfügbar gemacht werden. Für Forsten liegen nicht selten Informationen der forstlichen Standortkartierung vor. Liegen für die durch andere Nutzungen gekennzeichneten Bereiche keine Bodeninformationen vor und sind die Voraussetzungen für die Durchführung von arbeitsaufwendigen Felderhebungen nicht gegeben, so bietet sich gegebenenfalls die Anwendung des im Methodenpaket enthaltenen Programmes "SURREAL" an. Dieses führt eine flächendeckende, auf Nachbarschaftsbeziehungen und Ähnlichtkeitskriterien beruhende, Zuordnung von Bodenprofildaten auf Rasterebene durch. Als Zuordnungskriterien werden Ergebnisse der Reliefauswertung (TOPNEW) und der hydrologischen Analyse verwendet.

 

2.2 Digitale Reliefauswertung

Die Basisauswertung von digitalen Höhendaten, wie sie von den Landesvermessungsämtern einzelner Bundesländer vorgehalten werden, erfolgt rasterbezogen mit dem Programm TOPNEW (REICHE, 1996). Auf der Grundlage von X, Y, und Z-Koordinaten wird neben der Berechnung von Gefälleklassen und Abflußkaskaden eine Einteilung in Reliefeinheiten (Hang, Senke, Ebene) durchgeführt. Dabei werden 8 Abflußrichtungen unterschieden, die Anzahl von hangaufwärts (upstream) vorgelagerten Rasterflächen wird für jedes Einzelraster ausgezählt. Darüber hinaus werden topographische Einzugsgebiete durch Hang-Senken-Beziehungen definiert und flächendeckend zugeordnet.

 

Mit Hilfe des Programmes "TOPNEW" ist es weiterhin möglich, unter Einbeziehung von Informationen zum Boden (K-Faktor als Maßzahl für die Erodierbarkeit) , zur Vegetation (C-Faktor als Maßzahl für die erosionshemmende Wirkung der Vegetation), zum Gewässernetz und zu abflußhemmenden, linienhaften Landschaftselementen eine Abschätzung des mittleren Bodenabtrags (Berechnungsverfahren: Allgemeine Bodenabtragsgleichung) sowie die Bilanzierung von Bodeneinträgen in Gewässer durchzuführen (siehe hierzu MEYER et al. 1998). Die Einbeziehung dieser Informationen erfolgt unter Nutzung der Programme "BOSSA-SH" und "TOPTRA", indem polygonbezogene Informationen zur Landnutzung und zum Boden mit Angaben zur Beschaffenheit linienhafter Elemente (Arc-Attribut-Datei) und mit den zuvor beschriebenen rasterbezogenen Angaben (über das GRID-Modul in ARC INFO) kombiniert werden. Das Programm "TOPNEW" ist prinzipiell in der Lage, Höhenmodelle beliebiger Maschenweite und vertikaler Angabegenauigkeit zu verarbeiten. Tests mit Höhenmodellen unterschiedlicher räumlicher Auflösung zeigten, daß Maschenweiten von 12.5 m bzw. 25 m bei einer Genauigkeit der Höhenangaben im Dezimeterbereich zu zufriedenstellenden Resultaten führen. Eine Auflösung von 50 mal 50 m erwies sich als unzureichend. Mit dem ARC-INFO Modul GRID kann das Gebietsraster mit den berechneten Größen (Einzugsgebietsnummern, Hang- und Senkenkennung etc.) eingelesen und durch Vektorisierung zu Polygonkarten weiterverarbeitet werden.

 

Tab. 2: Ausgabeparameter des Programmes TOPNEW Rechtswert

  • Hochwert
  • Höhe über NN
  • Abflußrichtung(N, NE, E, ES, S, SW, W, NW)
  • Maximales Gefälle

Anzahl der in upstream-Richtung zugeordneten Rasterflächen

Relieffunktion (Senke, Hang, Ebene)

Zugeordnete Einzugsgebietsnummer

Jährliche Erosionsfracht (t/ha/a)

Sedimentationspotential (t/ha/a)

 

2.3 Digitale Analyse der Gebietshydrologie

Die Charakterisierung der hydrologischen Situation von Einzugsgebieten oder größeren Landschaftsausschnitten erfolgt polygongbezogen mit dem Programm TOPTRA. Hierzu werden unterschiedliche Informationen zur Geometrie einzelner Teilflächen (Rand-Arcs, Flächenschwerpunkt, Flächengrößen), zum Gewässernetz sowie Resultate der Reliefanalyse (s. Abschn. 2.2) und gebietsbezogene Angaben zur Grundwasserneubildungsrate, zur durchschnittlichen gesättigten Wasserleitfähigkeit des obersten Grundwasserstockwerks miteinander verrechnet. Das Programm greift direkt auf das ARC-INFO Export Dateiformat und auf die Ergebnisdatei des Reliefauswertungsprogrammes "TOPTRA" zu. Als Grundlage dieser Analyse dient eine mit Hilfe der GIS-Methodik angefertigte digitale Karte, welche durch die Verschneidung der Reliefkarte (topographische Teileinzugsgebiete, Hänge, Senken, Ebenen), der digitalen Gewässernetzkarte, der digitalen Bodenkarte und der digitalen Landnutzungskarte entsteht. Im einzelnen werden folgende Auswertungsschritte durchgeführt:

Mit Hilfe des GIS können Karten zur Kennzeichnung von Grundwasserganglinien, zur Darstellung der Flurabstände des obersten Grundwasserstockwerkes sowie Grundwassergleichen- und Teileinzugsgebietskarten erstellt werden. Dabei werden die im GIS verwalteten topographischen sowie boden- und reliefbezogenen Informationen kombiniert. Nachdem Vorfluterteilabschnitten Höhen zugeordnet werden, kann jedem Einzelpolygon der Gesamtfläche unter Einbeziehung der substratabhängigen Wasserdurchlässigkeit und einer auf der Basis von Klimakenngrößen abgeschätzten mittleren Grundwasserneubildungsrate nach dem Prinzip des minimalen Fließwiderstandes ein Vorfluter zugeordnet werden. Gleichzeitig wird die mittlere, langjährige Grundwasserhöhe berechnet. Ein für die ökologisch orientierte Landschaftsbewertung interessantes Resultat ist beispielsweise die Darstellung von grundwassernahen Standorten. Durch Überlagerung der aktuellen Nutzungsaufnahme können auf dieser Grundlage Standorte ausgewiesen werden, deren aktuelle Nutzung ein Risiko in Hinblick auf Grundwasserkontaminationen darstellt.

Neben der grundwasserbezogenen Einzugsgebietseinteilung können auch reliefbezogen Einzugsgebiete Oberflächengewässern bzw. Teilabschnitten von Fließgewässern zugeordnet werden (Teilprogramm TOPNET). Diese Routine setzt die aus der Reliefanalyse gewonnenen topographischen Teileinzugsgebietsgrenzen mit den Geometrien (x,y,z) des Gewässernetzes in Beziehung. Zunächst werden alle Einzugsgebiete, die von einem Vorfluter durchströmt werden, mit einer entsprechenden Vorfluter-Abschnittsnummer gekennzeichnet. Die Zuordnung von abflußlosen Einzugsgebieten erfolgt durch einen "Flutungs-Algorithmus". Dabei wird der niedrigste Punkt einzelner Gebietsränder gesucht. Die jeweils hier angrenzenden Teileinzugsgebiete verschmelzen miteinander. Dieser Prozeß wiederholt sich solange, bis jedem Polygon ein Vorfluter zugeordnet worden ist. Damit ist es möglich, durch Vorgabe einer Fließgewässersegmentierung eine entsprechende, räumlich aggregierte Einzugsgebietszuordnung zu erreichen. Das Ergebnis dieses Verfahrens entspricht prinzipiell den bislang analog erstellten amtlichen Flächenverzeichnissen, hat aber den Vorteil, in der räumlichen Auflösung flexibel und jeder Zeit reproduzierbar zu sein .

 

2.4 Dynamische Modellierung der Wasser- und Nährstoffdynamik auf Einzugsgebietsebene

Mit dem Modellsystem WASMOD (REICHE 1991, 1996) wurde ein Werkzeug entwickelt, welches in Kombination mit einem GIS und unter Verwendung von Ergebnissen der Programme BOSSA-SH, TOPNEW und TOPTRA als Eingangsdaten die wesentlichen Teilmodelle zur Verfügung stellt, die zur raumbezogenen Simulation von Wasser- und Stofftransportprozessen notwendig sind (berücksichtigte Einzelprozesse: vertikale und laterale Dynamik des Bodenwassers und des oberflächennahen Grundwassers, Transpiration, Evaporation, Versickerung, Bodenwärmetransport, De- und Adsorption, Dispersion, konvektiver und lateraler Transport, Ab- und Umbau der organischen Substanz, Aufnahme durch Pflanzenwurzeln, Phänologie und Volatilation). Dabei wird die Bodenwasserbewegung auf Grundlage der Richards-Gleichung beschrieben. Die Beschreibung des vertikalen Stofftransports erfolgt unter Berücksichtigung konvektiver, diffusiver und dispersiver Verlagerungskomponenten. Um die wichtigen mikrobiologisch gesteuerten, im Boden stattfindenden Kohlenstoffumsetzungsprozesse abzubilden, werden 3 Kohlenstoffpools unterschiedlicher Umsetzungskinetik unterschieden (frisch zugeführte organische Substanz, mikrobielle Biomasse, langfristig im Boden angelagerte organische Substanz). Die Quantifizierung der Stickstoffumsetzungsprozesse (Mineralisation, Nitrifikation, Denitrifikation, Pflanzenaufnahme, vertikale Verlagerung) erfolgt in enger Koppelung an die Teilmodelle zur Kohlenstoffdynamik. Das Modellsystem arbeitet in seiner höchsten zeitlichen Auflösung in 10-Minutenschritten. Es liefert u.a. folgende Simulationsergebnisse:

Neben den genannten Eingangsdaten zur Charakterisierung der Bodenbedingungen, des Reliefs und der hydrologischen Situation müssen für den Einsatz von WASMOD Klimakenngrößen in Tagesauflösung (Temperaturminimum und -maximum, Niederschlag, Sättigungsdefizit oder Globalstrahlung) sowie Nutzungsdaten (Art der Flächennutzung bzw. Vegetationstyp, bei Agrarflächen: Fruchtfolge, Daten zur Düngung) vorliegen.

 

 

Abb. 1: Vergleich zwischen gemessenen und modellhaft ermittelten Stickstofffrachten (Simulationszeitraum: 1994, Meßdaten siehe GÖBEL 1997)

Das Modellsystem WASMOD wurde anhand einer größeren Anzahl von Einzelstandorten und Einzugsgebieten (z.B. GÖBEL, 1997, GEROLD, 1998) getestet. In der Abbildung 1 wird ein Vergleich zwischen Meßwerten und Simulationsresultaten bezogen auf Wassermengen und Stickstofffrachten eines kleinen Einzugsgebietes (Bokhorst) im östlichen Schleswig-Holstein (Teileinzugsgebiet der Stör) dargestellt.

 

3 Beispielhafter Methodeneinsatz

Im Rahmen des Forschungsvorhabens "Ökosystemforschung im Bereich der Bornhöveder Seenkette" konnte das vorgestellte Methodenpaket "DILAMO" auf der Grundlage von einer Fülle von zeitlich und räumlich hoch aufgelösten Messungen angewendet und überprüft werden. Das Gesamtgebiet der Bornhöveder Seenkette (30 km südlich Kiels gelegen, Gesamtgröße ca. 70 km²) setzt sich aus den Einzugsgebieten von 5 kleineren Seen zusammen. Es ist geprägt durch eine überaus große naturräumliche Heterogenität, die aus den spezifischen Bedingungen weichseleiszeitlicher Eisrandlagen resultiert und sich in den Bodenformationen, der Hydrologie, dem Relief aber auch in der Nutzung widerspiegelt. Die Auswertungen beziehen sich auf eine Landfläche von 66 km², die dazugehörigen Seeflächen nehmen ca. 6 km² ein. Es lagen für das Gebiet insgesamt 1899 Bodenprofilbeschreibungen der Bodenschätzung vor.

Tab. 4: Flächenanteile ausgewählter Merkmale ermittelt als Ergebnis der digitalen Landschaftsanalyse bezogen auf Teileinzugsgebiete der Bornhöveder Seenkette (Angaben in % der Teileinzugsgebietsfläche; Randgebiete nicht berücksichtigt)

 

EZG-

Stolper

See

EZG-

Schieren-

see

EZG

Belauer

See

EZG

Schmalen-

see

EZG Born-

hoeveder

See

Fläche in ha

1466

1307

280

796

1256

Acker %

62

46

46

54

54

Grünland %

13

32

34

34

28

Versiegelt %

12

6

5

4

11

Wald %

10

13

5

4

11

Feuchtgebiete %

0,5

0,4

0,5

0,8

0,3

Anteil grundwassernaher Flächen %

5,8

12,1

7,4

9,1

5,1

Niedermooranteil %

7,5

12,1

7,7

7,0

5,5

Flächen m. niedr. Produktionsfunkt. %

11,6

17,5

25,0

48,0

70,0

Flächen m.niedr. Lebensraumfunk. %

75,0

63,0

48,0

33,0

15,3

Flächen m. hoher Lebensraumfunkt. %

25,0

39,0

55,0

69,0

86,0

Ackerfläch.mit hoher Lebensr.funkt. %

11,0

12,0

22,0

34,0

49,0

Erosionsgefährdete Ackerflächen %

8,0

3,0

6,0

9,0

3,0

 

Bei einer Auflösung von 12.5 X 12.5 m konnten insgesamt ca. 460000 Rasterpunkte des vom Landesvermessungsamt Schleswig-Holstein zur Verfügung gestellten Höhenmodells (DGM5) in die Auswertungen einfließen. Auf Grundlage der Nutzungsdifferenzierung ergibt sich eine Anzahl von 4495 Einzelpolygonen. Unter Einbeziehung der Reliefinformationen wird das Gesamtgebiet nach Verschneidung aller Teilinformationen in 17226 Polygone aufgeteilt (durchschnittliche Flächengröße von Einzelpolygonen: 0.35 ha). In der Tabelle 3 sind Ergebnisse der relief-, boden- und gewässerbezogenen Auswertung zusammengefaßt. Bei Betrachtung der Einzelergebnisse wird die Bedeutung des Bodensubstrats und des Flächenanteils an grundwassernahen Standorten für die funktionsbezogene Einstufung des hier gewählten Bewertungskonzeptes deutlich. Die in Tabelle 4 zusammengefaßten Ergebnisse einer Anwendung des Simulationsmodells WASMOD beschränken sich auf 2 der fünf Teileinzugsgebiete der Bornhöveder Seenkette ( Schmalensee und Bornhöveder See). Sie beziehen sich auf einen Simulationszeitraum von insgesamt 30 Jahren (1961 - 1990). Bei der Anwendung des Simulationsmodells wurden zunächst die tatsächlich vorgefundenen Nutzungsverhältnisse eingesetzt. Darüber hinaus wurden jeweils zwei Nutzungsszenarien gerechnet, die die Landnutzung in Form von Extremzuständen abbilden. Für das "Mais-Szenario" wurde angenommen, daß die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche - mit Ausnahme von Feuchtgrünland - durch Maisanbau in Monokultur genutzt wird. Diese Nutzungsvariante ist durch eine kurze Vegetationsperiode und hohe organische Düngereinträge gekennzeichnet. Der Humushaushalt des Bodens wird stark beansprucht. Beim zweiten Nutzungsszenario wird von einer Aufforstung der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgegangen. Während für grundwasserferne Standorte (Flurabstand > 1m) Buchenwald als Vegetationstyp eingesetzt wurde, beziehen sich die Simulationen für Feuchtstandorte auf den Vegetationstyp Bruchwald mit der Erle als dominante Baumart. Der Vergleich zwischen den beiden Einzugsgebieten macht deutlich, daß sich die Simulationsergebnisse nicht nur aufgrund unterschiedlicher Nutzungsbedingungen unterscheiden, sondern daß auch bei vereinheitlichter Nutzung (Waldszenario, Maisszenario) die Standortbedingungen (Boden, Relief, Gebietshydrologie) zu signifikanten Unterschieden bezüglich der hier ausgewählten Merkmale führen. Für die Landschaftsplanung könnte ein Einsatz der hier exemplarisch vorgestellten Szenarientechnik von großem Interesse sein, da sich einerseits durch den an die Standortverhältnisse angepaßten Abgleich mit Referenzzuständen ein Bedarf an Nutzungsänderungen ableiten läßt, andererseits eine szenarienhafte Testung geplanter Nutzungszustände durchführbar wird.

Tab. 5: Flußraten und Poolgrößen zum Wasser-, Kohlenstoff- und Stickstoffhaushalt als Ergebnis von Simulationsrechnungen für zwei Einzugsgebiete ( im Vergleich zwischen real vorgefundenen Nutzungsbedingungen und Nutzungsszenarien (Simulationszeitraum: 1961- 1990).

 

Einzugsgebiet Schmalensee

Einzugsgebiet Bornhöveder See

Indikatoren zur vergleichenden Landschaftsbewertung

aktuelle Nutzung

Mais-

Szenario

Wald-

Szenario

aktuelle

Nutzung

Mais-

Szenario

Wald-

Szenario

Verdunstung (mm/a)

462

429

497

444

409

489

Abfluß (mm/a)

368

382

304

346

381

301

Wasserspeicher (m³/ha/a)

47363

51894

50989

18551

18131

20083

Kohlenstoffspeicher kg C/ha

423348

269531

469541

286484

196157

384534

Stickstoff-Eintrag (kg N/ha/a)

210

308

41

207

314

41

N-Mineralisation (kg N/ha/a)

104

135

62

79

115

49

Stickstoff-Austrag (kg N/ha/a)

37

49

17

48

66

14

Gasförmige N-Verluste (kg /ha/a)

46

75

9

39,00

77

7

N-Konzentr. i.d.Vorflut (mg NO3/l)

45

57

25

52

74

21

4 Literaturverzeichnis:

Gerold, G., Cyfka, B., 1998: Regionalisierung der Abflußbildung über die Aggregierung homogener Flächen unter Verwendung des Geographischen Informationssystems ARC/INFO und der 'Digitalen Reliefanalyse' (Programm SARA). DFG-Schwerpunktprogramm "Regionalisierung in der Hydrologie"; Abschlußbericht.

 

Göbel B.(1997): Messung und Modellierung des flächenhaften Wasser- und Stofftransports aus landwirtschaftlich genutzten Flächen auf zwei Maßstabsebenen unter besonderer Berücksichtigung der Bereitstellung bodenkundlicher Daten für die Modellrechnung . EcoSys, Suppl.Bd.19, 1 - 117.

 

Meyer, M.; Reiche, E.-W.; Heinrich, U. & M. Filipinski (1998): Einzugsgebietsbezogene Erosionsmodellierung mit der Abschätzung der Sedimenteinträge in Gewässer. Verhandlungen der Gesellschaft für Ökologie.

 

Reiche, E.-W., (1998): Bodenschätzungs-Standardauswertung Schleswig-Holstein: Eine Methode zur computergestützten Übersetzung, Paremeterisierung und planungsbezogenen Bodenbewertung. Mitteil. d. Dtsch. Bodenk. Gesellsch. , 87, 93-42.

 

Reiche, E.-W., 1991: Entwicklung, Validierung und Anwendung eines Modellsystems zur Beschreibung und flächenhaften Bilanzierung der Wasser- und Stickstoffdynamik in Böden. -Kieler Geographische Schriften 79.

 

Reiche, E.-W., 1996: WASMOD. Ein Modellsystem zur gebietsbezogenen Simulation von Wasser- und Stoffflüssen. Darstellung des aktuellen Entwicklungsstandes. - EcoSys Bd. 4: 143-163.1

 

5 Zusammenfassung und Ausblick

Der Einsatz von flächendeckenden, dynamischen Modellen zur Beschreibung des Wasser- und Stoffhaushalts von Einzugsgebieten auf unterschiedlichen Maßstabsebenen ist zur Zeit noch mit einem hohen Datenbeschaffungs- und Aufbereitungsaufwand verbunden. Zur Zeit liegen solche Modelle zwar als Prototypen vor, sie bedürfen aber häufig noch einer weiteren Testung, Kalibrierung und Optimierung, bis sie routinemäßig in Planungsbüros eingesetzt werden können. So werden mit dem Modell WASMOD zur Zeit für unterschiedliche Einzugsgebiete Simulationstests durchgeführt. Im Vergleich zu komplexen Simulationsmodellen sind einfachere Auswertungsmethoden zur Ableitung von ökologischen Potentialen und Standortempfindlichkeiten, wie sie z.T. im Methodenpaket DILAMO (Digitale Landschaftsanalyse und – Bewertung) enthalten sind, robust und relativ einfach zu handhaben. Für diese besteht schon heute die Möglichkeit einer standardmäßigen Anwendung. Das Kieler Ökologie Zentrum hat dies im Rahmen einer Reihe von Pilotprojekten unter Beweis stellen können. Einige der beschriebenen Programme werden bereits vor Ort - d.h. in Behörden und Planungsbüros - eingesetzt.